
Theresa Lischka ist Bachelorabsolventin der Macromedia Hochschule im Fachbereich “Medien- und Kommunikations-management”. Im Sommer 2020 führte sie im Rahmen ihrer Bachelorarbeit zum Thema “Herausforderungen bei der Implementierung alternativer Vergütungsmodelle” Interviews, um mehr über Erfahrungen mit Implementierungs-prozessen, Stolpersteinen und Potentialen neuer Vergütungsmodelle zu erfahren.
Interview: Anna Bennecke
Danke, dass du dich bereit erklärt hast uns ein paar Fragen zu deiner Bachelorarbeit zu beantworten. Erzähl uns doch in drei, vier Sätzen, mit was du dich in deiner Bachelorarbeit beschäftigt hast.
In meiner Bachelorarbeit habe ich mit dem großen Thema der alternativen Vergütungsmodelle beschäftigt und habe dazu vorrangig mit Führungskräften aus Unternehmen Interviews geführt, die bereits neue Wege in diesem Bereich gegangen sind. Modelle, die in meiner Thesis betrachtet werden, sind unter anderem das Einheitsgehalt, Wunschgehalt, das selbstgewählte Gehalt sowie Gehaltsbänder. Unter den Unternehmen waren die Agentur elbdudler und das Software Engineering Unternehmen elbstack aus Hamburg sowie ein Konzern. Um diese Thematik etwas einzugrenzen, habe ich den Fokus auf die Herausforderungen bei der Implementierung gelegt. Natürlich wollte ich das in ein Gesamtbild einbetten und dementsprechend auch herausfinden, welche Gründe die Unternehmen bewegt haben, eine Veränderung anzustreben, welche Vorteile ihre Modelle bieten, inwiefern Transparenz und die Unternehmenskultur in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Darüber hinaus ging es auch um die Veränderungen, die sich beobachten ließen, darum, wie agil die Modelle sind und last but not least um die Wirkung nach außen – Stichwort Employer Branding und Recruiting.
Wie bist du auf das Thema New Pay gestoßen und was hat dich dabei am meisten fasziniert?
Ich habe grundsätzlich einen Hang zu Themen, über die allgemein eher wenig gesprochen wird. Dementsprechend habe ich selbst eher kein Problem damit, über gewisse Tabu-Themen zu sprechen. So hat es mich auch schon länger gestört, dass selten transparent und offen über Gehälter gesprochen wird. Im Januar bin ich dann auf eine Folge des „On the Way to New Work“-Podcasts gestoßen, in der Sven Franke und Nadine Nobile über New Pay gesprochen haben. Das Thema hat mich sofort begeistert, denn es war so einleuchtend, dass in der großen Debatte um New Work auch das Thema Vergütung neu gedacht werden sollte. Gleichzeitig fand ich es unglaublich angenehm, dass einfach ehrlich all das ausgesprochen wurde, was so viele Menschen denken. Ich wurde von dem Enthusiasmus der beiden direkt angesteckt. Daraufhin habe ich weiter dazu recherchiert und mit jedem Artikel und jeder weiteren Podcastfolge stieg mein Interesse zu dem Thema weiter an. Meine Faszination galt vor allem dem Gefühl, dass es für so viele Dinge, die mich in Bezug auf Gehälter in Unternehmen unglaublich gestört haben, spannende Ansätze gibt und diese auch zu funktionieren scheinen.
Du betrachtest vor allem Herausforderungen der Implementierung. Welche sind dir da besonders aufgefallen?
Vorweg ist es mir wichtig zu betonen, dass die Herausforderungen genauso unterschiedlich und individuell sind, wie die Vergütungsmodelle der Unternehmen selbst. Ein Unternehmen stand vor dem Problem, dass die Mitarbeiter:innen den Vorschlag der Geschäftsführung zunächst ablehnten, die Gehälter transparent zu machen – trotzdem wurde es durchgesetzt. Zu Beginn fehlte dort Partizipation, weshalb sich natürlich auch eine gewisse Unzufriedenheit einstellte.
Besonders aufgefallen und in Erinnerung geblieben ist mir aber folgendes: Julian Vester, Geschäftsführer von elbdudler, wies darauf hin, dass Gehalt ein besonders emotionales Thema sei und das Gefühl von Benachteiligung immer ein subjektives ist. Das mag sehr einleuchtend sein und sollte trotzdem immer im Hinterkopf behalten werden. Die Herausforderung bestand dann darin, eine Lösung zu schaffen, sodass sich jede:r Mitarbeiter:in gerecht behandelt fühlt. Dieser Aspekt der Fairness ist wirklich zentral und spielte auch in anderen Unternehmen eine wichtige Rolle. Eine letzte Herausforderung, die ich gerne noch erwähnen möchte, ist ebenfalls eine aus dem Hause elbdudler, die zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht gelöst wurde, für die es jedoch schon Ideen gab, um sie zu lösen: Die „Kopplung zwischen Leistung und Bezahlung“, wie Julian Vester sagte, da die Leistung bisher noch an Zeit, also der 40-Stunden-Woche, gekoppelt sei.
“Transparenz […] dient nicht dem Selbstzweck”: Was ist damit gemeint?
Der Satz stammt von David Cummins, dem Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Ministry Group. Folgendes ist damit gemeint: Transparenz sollte als Instrument gesehen werden und daher der gesamten Organisation Nutzen bringen.
Dementsprechend sollte man sich schon vor der Einführung der Transparenz (egal in welchem Maße) entsprechend Gedanken machen, was damit erreicht werden soll. Beispielsweise kann durch Transparenz mehr Fairness in einem Unternehmen geschaffen werden. Transparenz als Selbstzweck wäre beispielsweise, wenn eine Organisation nur nach außen transparent ist, um sich als attraktiver Arbeitgeber darzustellen. Somit nützt es nicht der Organisation als Ganzes.
Transparenz kann bestehende Ungleichheiten aufdecken. Aus Angst vor sozialen Spannungen, wird deshalb oft von mehr Gehaltstransparenz abgesehen. Hast du bei deiner Recherche Strategien gefunden, wie Unternehmen mit diesen Spannungen umgehen?
Grundsätzlich ist die Einführung von Transparenz natürlich nicht leicht, weil es etwas Neues und vor allem Ungewohntes ist. Tatsächlich kam dieser Punkt auch in manchen Interviews zur Sprache. Abhilfe konnte meist durch eine offene Kommunikation geschaffen werden und durch Partizipation. Die Gespräche haben gezeigt, dass Letzteres in vielen Bereichen wirklich das A&O ist. Kurz gesagt: Alle miteinbeziehen, ehrlich über Bedenken sprechen und Mitarbeiter:innen bei Entscheidungen mitbestimmen lassen.
Wie hängen Unternehmenskultur und alternative Vergütungsmodelle aus deiner Sicht zusammen?
Eine Unternehmenskultur prägt die Organisation stark. Aus meiner Sicht bildet die Kultur eine wichtige Basis, wenn es darum geht ein neues Vergütungsmodell zu implementieren. Durch die Ergebnisse meiner Bachelorarbeit bestätigte sich auch meine Annahme, dass sich die jeweiligen Aspekte der Unternehmenskultur in den alternativen Vergütungsmodellen der Unternehmen widerspiegeln.
Beim Thema Recruiting gehst du ja auch darauf ein, wie so ein alternatives Vergütungssystem die Kommunikation mit der Außenwelt des Unternehmens verändert. Was waren für dich dabei besonders spannende Erkenntnisse?
Einige der Unternehmen, mit denen ich gesprochen habe, haben aufgrund ihres Vergütungsmodells viel Aufmerksamkeit durch die Presse bekommen. Besonders spannend fand ich, dass sich zwei Interviewpartner nicht nur positiv dazu geäußert haben. Beide aus dem gleichen Grund: Sie wollen nicht, dass das Unternehmen auf das Vergütungsmodell reduziert wird, sondern wollen für ihre Arbeit bekannt sein - ein Aspekt, den ich vorher gar nicht bedacht hatte und dennoch sehr verständlich finde. Interessant war ebenfalls, dass sich tatsächlich Einige genau aus diesem Grund bei den Unternehmen beworben haben. Ein alternatives Vergütungsmodell kann also sehr attraktiv für Bewerber:innen sein.
Welche Gedankenanstöße möchtest du anderen mit auf den Weg geben?
Kurz und knapp: Gehalt ist kein Tabu-Thema!
Überwindet euch – immer wieder. Es lohnt sich!
Stell dir vor, zusätzlich zu deinem Gehalt gäbe es einen Optionsbereich, in dem du dir eine weitere Vergütung aussuchen könntest. Deiner Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Was würdest du auswählen und warum?
Über diese Frage habe ich lange nachgedacht und verschiedene Ideen wieder verworfen. Dann habe ich überlegt, was mir wirklich wichtig ist in der Zukunft. Tatsächlich ist es das, was ich mit am meisten in meinem Leben schätze: Bildung. Und es gibt eine Sache, die ich unbedingt erreichen will später: Meinen Kindern die Bildung ermöglichen, die auch meine Eltern mir ermöglichen. Wenn ich meinen Kindern später ihre Ausbildung, Auslandsaufenthalte und Weiterbildungen ermöglichen kann, würde mich das sehr glücklich machen und meine Kinder hoffentlich auch. Deshalb fände ich es toll, wenn es etwas gäbe, was vom Prinzip der betrieblichen Altersvorsorge ähnelt. Vereinfacht gesagt: Man würde einen selbstgewählten Betrag monatlich einzahlen und das Unternehmen bezuschusst das mit einem gewissen Prozentsatz, der im besten Fall natürlich so hoch wie möglich ist. Beträge werden dann ausgezahlt, wenn Bedarf besteht. Kinder sind die Zukunft! Wie schön wäre es, wenn Unternehmen diese Idee unterstützen würden.
Danke, Theresa, für die Beantwortung unserer Fragen. Wir wünschen Dir auf Deinem weiteren Lebensweg alles erdenklich Gute!
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Hilke (Mittwoch, 09 Dezember 2020 17:38)
Cooles Interview, spannendes Thema, tolle Frau!