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  • Stefanie Hornung

Gender Pay Gap: „Wir sind erst angekommen, wenn wir bei Null stehen“

Aktualisiert: 16. Okt. 2023

Die Vodafone GmbH, eine der Gewinner:innen des diesjährigen German Equal Pay Awards, hat einen bereinigten Gender Pay Gap von 2,6 Prozent – der deutschlandweite Durchschnitt liegt laut Statistischem Bundesamt bei 7 Prozent. Doch Vodafone möchte mehr. Das Ziel: eine Lohnlücke von plus-minus Null. Alles beginnt mit der Haltung, meinen die Geschäftsführerin Personal Felicitas von Kyaw und Anja Knauff, Senior Managerin Reward & Recognition.


Foto von Felicitas von Kyaw, eine Frau mit blonden Haaren und einer Brille.
Felicitas von Kyaw: Seit Anfang 2022 ist sie Geschäftsführerin Personal der Vodafone GmbH. Foto: Vodafone

Die Vodafone GmbH arbeitet seit mehr als fünf Jahren aktiv daran, den Gender Pay Gap zu verkleinern. Warum ist das Thema für Sie so wichtig?


Felicitas von Kyaw: Es gibt keinen Grund für eine Gehaltsdifferenzierung aufgrund des Geschlechts. Frauen dürfen nicht weniger verdienen als Männer. Gleichwertige Chancen und Diversität zu erreichen – das ist eine Reise, die Vodafone vor vielen Jahren begonnen hat. Für Vodafone ist Diversität in all seinen Facetten ein wirtschaftlicher Erfolgs- und Wettbewerbsfaktor. Wir haben rund 100 Nationalitäten im Unternehmen.


Anja Knauff: Als wir uns dem Thema vor mehr als fünf Jahren intensiv angenommen haben, war unser Ziel Transparenz zu schaffen, damit Führungskräfte zahlen- und evidenzbasiert gute Entscheidungen treffen können. Wir wollten, dass es Normalität wird, sich bei außertariflichen Einstellungen und Karriereschritten im Unternehmen immer zu fragen, ob das Gehalt angemessen ist. Aber wir haben auch viele Maßnahmen etabliert, die schon bei der Besetzung von Stellen Männern und Frauen gleiche Chancen ermöglichen.


Wie groß war der Gender Pay Gap, als Sie mit dem Thema gestartet sind?


Anja Knauff: 2017 lag der bereinigte Gender Pay Gap im Unternehmen noch zwischen 4 und 5 Prozent. Das heißt wir konnten ihn kontinuierlich reduzieren.

Felicitas von Kyaw: Damit sind wir noch nicht zufrieden, auch wenn wir deutlich besser dastehen als der bundesweite Durchschnitt. Dennoch können wir große Fortschritte vorweisen. Das ist keine Selbstverständlichkeit.


Um einen verlässlichen Gender Pay Gap zu berechnen, muss man darauf achten, wirklich gleichwertige Stellen oder Rollen zu vergleichen. Wie gehen Sie dabei vor?


Anja Knauff: Wir führen klassische multivariate Regressionsanalysen durch. Also wir lassen unsere Gehaltsdaten einfließen und nutzen statistische Analysemethoden, mit denen man mögliche Zusammenhänge zwischen Variablen wie dem Geschlecht und dem Jahreszielgehalt feststellen kann.

Felicitas von Kyaw: Natürlich ist der Ausgangspunkt für Vergleichbarkeit eine möglichst objektive Stellenbewertung. Die Methoden sind bekannt und alle notwendigen Daten vorhanden. Transparenz ist dabei immer hilfreich. Die Frage ist aber vor allem, mit welcher Philosophie man an die Sache herangeht und ob man wirklich die Lohnlücke verkleinern möchte.


 

Foto von Anja Knauff, eine Frau mit blonden Schulter-langen Haaren.
Foto: Vodafone


Anja Knauff: Als Senior Managerin Reward & Recognition hat Anja Knauff die Software zum Monitoring des Gender Pay Gaps bei Vodafone mit eingeführt.




 

Viele Unternehmen stehen nach der Problemanalyse vor der Frage, welche Maßnahmen sie ergreifen können, um die Lohnlücke zu verkleinern. Welche Aktivitäten haben aus Ihrer Sicht den größten Impact?


Anja Knauff: Wir möchten den Gender Pay Gap präventiv managen. Dafür haben wir ein automatisiertes Dashboard in Microsoft Access aufgebaut, das HR mit den einstellenden Führungskräften bei jeder Einstellung oder Karriereveränderung darauf aufmerksam macht, wie es um den Gender Pay Gap einer Rolle steht. Sie sehen also, was eine bestimmte Gehaltsentscheidung für die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen bedeutet.

Wir vergleichen das auch nach Mitarbeitergruppen und in Bezug auf die Unterscheide bei Neueinsteigerinnen und Neueinsteigern oder Rückkehrerinnen und Rückkehrern. Um Gehaltserwartungen von externen Kandidatinnen und Kandidaten besser einschätzen zu können, haben wir einige Leitfragen entwickelt. Die Entscheidungsträger gehen immer mit den Spezialistinnen und Spezialisten in HR und Recruiting in Austausch.

Eine weitere Maßnahme ist besonders wirkungsvoll: Frauen in Elternzeit nehmen nicht nur an Gehaltsrunden im Tarif teil, sondern auch an denen im außertariflichen Bereich. Sie erhalten also auch dann eine Gehaltserhöhung im Budget-Durchschnitt, wenn sie mehrere Jahre nicht da sind. Abweichungen sind nur nach oben möglich.


Felicitas von Kyaw: Es ist keine einzelne Maßnahme, an der man den Impact festmachen kann. Wir haben gute Tools und Prozesse, um die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu verkleinern. Aber die besten Tools nutzen nichts ohne die Haltung, Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit erreichen zu wollen. Software kann jeder einsetzen. Am Ende geht es aber darum, in welcher Haltung man welche Erkenntnisse daraus ableitet und im Alltag umsetzt. Es braucht ein Zusammenspiel – im Dreiklang von Mindset, Toolset und Vielfalt der Maßnahmen.


Mangelnde Chancengleichheit zeigt sich nicht nur in Gehaltsunterschieden in vergleichbaren Rollen. Auch Aspekte wie Beschäftigungsumfang, Qualifikation oder Karrierelevel von Männern und Frauen sind häufige Ursachen. Inwiefern haben Sie auch den unbereinigten Gender Pay Gap auf dem Schirm, wo diese Aspekte nicht rausgerechnet werden?


Anja Knauff: Dafür haben wir ein Analysetool entwickelt, mit dem wir regelmäßig Heatmaps nach Bereichen ausspielen. Die Bewertung funktioniert nach einer Ampellogik: grün ist unkritisch, gelb ist ein unbereinigter Gender Pay Gap über 5 Prozent und rot über 10 Prozent. Dabei nutzen wir eine Compa-Ratio, also eine Formel, die das geschlechtsspezifische Lohngefälle zum Durchschnittsgehalt am Markt berechnet. Einmal im Jahr haben wir ein Fair Pay Assessment mit der Geschäftsführung, wo wir über strukturelle Maßnahmen sprechen, wenn der unbereinigte Gender Pay Gap in manchen Bereichen über 5 Prozent liegt. Darüber hinaus schauen wir uns monatlich die Karriereentwicklung von Männern und Frauen pro Level an.


Das heißt, da sprechen Sie dann unter anderem über das Thema Frauenanteil und wie Sie diesen erhöhen können. Wie sind Sie bei dem Thema aufgestellt?


Felicitas von Kyaw: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf liegt uns am Herzen. Daher bieten wir unseren Mitarbeitenden einen bunten Strauß an flexiblen Arbeitsmodellen wie zum Beispiel Führung in Teilzeit und Jobsharing in Führungspositionen. Unsere Mitarbeitenden können Full-Flex arbeiten, also wann und wo es für sie am besten passt. Sie können bis zu 20 Tage im Jahr im EU-Ausland arbeiten. Und wir haben eigene Kindergärten, die rege genutzt werden, so dass die Kinderbetreuung möglichst kein Grund ist, in Teilzeit zu gehen.

Anja Knauff: Hinzu kommt, dass wir Frauen und Männer in Elternzeit sehr stark unterstützen. Für 16 Wochen nach der Geburt des Kindes wird das Elterngeld auf das frühere Netto aufgestockt, wenn man Elternzeit nimmt. Und wer im ersten Lebensjahr des Kindes nach der Elternzeit oder Mutterschutz mit mindestens 15 Wochenstunden zurückkehrt, kann die Arbeitszeit senken – um bis zu 25 Prozent für bis zu sechs Monate bei vollem Gehaltsausgleich. Wir können in Gleitzeit, Blockteilzeit oder Teilzeit arbeiten, haben die Möglichkeit, ein Sabbatical zu machen oder zusätzliche Urlaubstage in Anspruch zu nehmen durch Gehaltsumwandlung bei voller Weiterzahlung von tariflichen Sonderleistungen und des Bonus’. Ich habe drei Kinder und arbeite Vollzeit. Das ist für mich durch die hohe Arbeits-Flexibilität bei Vodafone möglich.

Welche Ursachen hat es hauptsächlich, wenn große Abweichungen beim Gehalt zwischen den Männern und Frauen in einzelnen Bereichen auftreten?


Anja Knauff: Wir haben gewachsene Firmenhistorien. In manchen Bereichen kann man die Stellen besser vergleichen als in anderen. Gründe können Karriereerfahrung, Dauer auf der Position oder Erwerbsunterbrechung sein. Wenn wir talentierte Personen früh in große Rollen entwickeln, dann ist es auch mal in Ordnung, dass jemand eher am unteren Ende der Gehaltsspanne für die Rolle verdient. Das kann auch eine Erklärung dafür sein, dass eine junge Frau in der Abteilungsleitung noch nicht gleichauf ist mit jemand, der schon 20 Jahre dabei ist. Dennoch zeigen Statistiken auch, dass Männer sich öfter für ihre Karriere bewegen und mehr Risiken eingehen als Frauen, die häufiger mal einen lateralen Wechsel machen. Deshalb haben Männer oft mehr Visibilität und erreichen schneller die nächste Rolle.

Felicitas von Kyaw: Und genau hier setzen wir mit unseren internen Frauen-Netzwerken an: Wir möchten Frauen Unterstützung geben und Mut machen, sich für offene Stellen und neue Herausforderungen im Unternehmen zu bewerben.


Inwiefern betrachten Sie den Gender Pay Gap als Führungsthema?


Felicitas von Kyaw: Vergütung ist eines von vielen Führungsthemen. Unsere Aufgabe in HR ist es, für Führungskräfte Transparenz herzustellen, damit sie faire und fundierte Entscheidungen treffen können. Wir bieten regelmäßige Schulungen für Führungskräfte, vor allem, wenn jemand neu bei Vodafone anfängt, neu in eine Führungsrolle einsteigt oder wenn Gehaltsrunden anstehen. Führungskräfte müssen wissen, wie sie Gehaltsfragen in den Gesprächen mit ihren Mitarbeitenden thematisieren. Beim Gehalt darf es immer mehr sein – das gilt für Führungskräfte und Mitarbeitende. Deshalb ist es wichtig, unsere Vergütungslogik zu kennen.


Durch Ihr Dashboard und die Heatmap ist sehr transparent, welche Führungskraft in ihrem Bereich ein Pay-Gap-Problem hat. Welche Konsequenzen hat das, wenn eine Führungskraft unter einen bestimmten Wert rutscht oder sich nicht verbessert?


Anja Knauff: Es gibt klare Mindeststandards bei Neueinstellungen. Und wenn wir feststellen, dass Bereiche insgesamt ein Problem haben, dann sprechen wir das an. Aber unsere Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer wie auch Bereichsleiterinnen und Bereichsleiter achten auch von selbst sehr darauf.

Felicitas von Kyaw: Wenn ganze Bereiche bei einem kritischen Gender Pay Gap stünden, dann wäre das Thema Teil unserer Heatmap-Diskussion. Oftmals braucht es Zeit, Dinge aus der Vergangenheit aufzuräumen. Einen Automatismus oder verschiedene Eskalationsstufen gibt es nicht. Wir schauen regelmäßig gemeinsam darauf.


Wie gehen Sie im Recruiting vor: Informieren Sie vor Vorstellungsgesprächen, wie hoch das Gehalt sein wird?


Anja Knauff: Im Tarifbereich sagen wir natürlich, in welcher Entgeltgruppe das Gehaltsangebot liegt. Ansonsten haben wir unsere Pay Ranges und im Lauf des Rekrutierungsprozesses legen wir diese auch offen, wenn wir das konkrete Angebot machen.


Aber Sie fragen schon vorab noch einen Gehaltswunsch ab. Was geschieht, wenn der Gehaltswunsch deutlich über oder unter dem Durchschnitt liegt?


Anja Knauff: Es kommt schon vor, dass sich jemand für eine Rolle bewirbt, für die wir mehr bezahlen, als sich die Person wünscht. Dann bieten wir tatsächlich manchmal mehr als den Gehaltswunsch. Denn die Kandidatin soll das Gleiche bekommen, wie ein Mann mit vergleichbarem Lebenslauf. Dass wir aktiv mehr bieten als jemand fordert – das wäre vor fünf Jahren noch nicht vorgekommen. Aber heute achten wir sehr darauf.


Felicitas von Kyaw: Unser Idealbild ist: Jede und jeder soll für sich selbst erkennen können, was für welche Position mit welcher Qualifikation, mit welchem Lebenslauf und mit welcher Berufserfahrung gezahlt wird. Wir werden diese verschiedenen Facetten im Hinblick auf die Vergütung weiter kommunizieren, um Transparenz zu schaffen. Das gehen wir im Übrigen nicht nur aus deutscher Perspektive an, sondern international bei allen Vodafone-Gesellschaften.


Demnächst wird die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz in Kraft treten. Darin soll beispielsweise verankert werden, dass Arbeitgeber handeln müssen, wenn der Gender Pay Gap der Durchschnittsgehälter in gleichwertigen Tätigkeiten mehr als 5 Prozent beträgt. Wie stehen Sie dazu – befürworten Sie die Richtlinie?


Felicitas von Kyaw: Beim Thema Diversity haben wir in Deutschland kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Wir müssen das angehen wie andere Business-Themen auch. Regelungen und Regelwerke können helfen, die Dinge zu befördern, die noch nicht ernsthaft genug verfolgt werden. Das kann Strahlkraft haben und Aufmerksamkeit schaffen. Es ist wie bei der Frauenquote: Gesetzliche Vorgaben sind dabei manchmal hilfreicher als jahrelang zu hoffen, dass etwas passiert.


Welche Bedeutung hat eine nachvollziehbare und faire Vergütung insgesamt für Vodafone als Arbeitgeber – gerade in Zeiten der Umstrukturierung und des Personalabbaus?


Felicitas von Kyaw: Wir transformieren uns und dabei müssen wir auch schmerzhafte Entscheidungen treffen. Das ist ohne Zweifel ein sensibles Thema. Doch die Bedeutung von Diversity bleibt groß. Wir sind stolz darauf, was wir bereits erreicht haben, um den Gender Pay Gap zu verkleinern. Gleichzeitig sind wir demütig und wissen, dass wir noch eine Reise vor uns haben. Wir sind erst angekommen, wenn wir bei Null stehen.


 

Über die Autorin

Stefanie Hornung hat mittellange, braune Haare. Sie trägt einen schwarzen Blazer über einem lila Tshirt. Sie steht vor einer weißen Häuserwand mit Fenstern

Stefanie Hornung liegt nachhaltiges Management und Vergütung am Herzen. Ob im Newsletter "Gehaltvolle Zeilen" oder auf dem Blog - sie greift aktuelle Themen der Arbeitswelt auf und komponiert Geschichten mit Tiefgang.

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