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  • Stefanie Hornung

Diese Pay Gaps sollten Unternehmen in den Blick nehmen

Wenn von Lohnlücken die Rede ist, denken die meisten Menschen zunächst an den Gender Pay Gap. Doch Verdienstunterschiede finden sich auch in Gruppen mit anderen Merkmalen – nicht nur in Bezug auf das Geschlecht. Welche das vor allem sind und wir Ihr in der Praxis damit umgehen könnt.


Ein Straßenbahneingang ist am Boden markiert mit der Aufschrift "Mind the Gap"
Foto: Unsplash

Ein Lohngefälle liegt vor, wenn Gruppen von Mitarbeitenden deutlich abweichende Löhne bekommen. Ein Lohngefälle kann in Bezug auf verschiedene Merkmale bestehen und auf verschiedene Weise berechnet werden – etwa pro Stunde, bezogen auf die Stundenzahl pro Monat oder das gesamte Erwerbsleben.


Folgende Pay Gaps solltet Ihr besonders im Blick haben:


1. Geschlecht: Gender Pay Gap

Der Gender Pay Gap ist wohl der bekannteste Verdienstunterschied und bezieht sich auf die Unterschiede in der Bezahlung zwischen Männern und Frauen. Das Statistische Bundesamt vergleicht diesbezüglich den Pay Gap pro Stunde. Die neue EU-Transparenzrichtlinie bringt diesbezüglich neue Auskunfts- und Berichtspflichten. Zwar betont der Richtlinientext, dass ein intersektioneller Ansatz wichtig ist – also Diskriminierungen auch aufgrund anderer Merkmale als dem Geschlecht bestehen. Aber Arbeitgeber sind nicht verpflichtet andere Daten als das Geschlecht zu erheben.


2. Ethnische Herkunft: Ethnical Pay Gap

Der Ethnic Pay Gap bezieht sich auf die Unterschiede in der Bezahlung zwischen Gruppen einer bestimmten ethnischen Herkunft. Angehörige einiger ethnischer Gruppen verdienen bei gleicher Qualifikation teils deutlich weniger als Mitglieder der „dominanten“ ethnischen Gruppe.



Hier ist der Ethnic Pay Gap am Beispiel des Pay Gap Registry aus Neuseeland dargestellt. Das Gesetz über Lohngleichheit in Neuseeland berücksichtigt nur das Geschlecht. Die Initiative Mind the Gap hält das für unausreichend, weil Lohndiskriminierung eben auch in Bezug auf die ethnische Zugehörigkeit bestehen kann. Es ruft deshalb Unternehmen ab einer Größe von 50 Mitarbeitenden dazu auf, freiwillig den eigenen Gender UND Ethnic Pay Gap zu erheben und diesen in ihrem öffentlichen Register eintragen zu lassen. Das Ergebnis im Bild zeigt, dass der Gender Pay Gap allein ein zu grobes Maß ist. Pākehā (Menschen mit europäischem Hintergrund) Männer verdienen mehr als Pākehā Frauen. Aber sie verdienen immer noch mehr als Māori, Asian und Pasifika Männer und Frauen, die etwa 30 Prozent der Bevölkerung in Neuseeland ausmachen.


3.  Alter: Age Pay Gap

Der Age Pay Gap betrachtet Verdienstunterschiede aufgrund des Alters. Hier muss man allerdings vorsichtig sein: Gehaltsunterschiede von Beschäftigten verschiedenen Alters sind nicht zwangsläufig unbegründet. Ältere Mitarbeitende verdienen in der Regel mehr als jüngere. Und das kann in Ordnung sein, wenn sie mit dem Alter eine höhere Kompetenz erworben haben. In diesem Fall wird aber nicht das Alter, sondern die durch Erfahrung aufgebaute Kompetenz vergütet. Der Automatismus, dass eine ältere mehr verdienen sollte, diskriminiert jüngere, die gleiche oder gleichwertige Tätigkeiten genauso gut ausüben können.


4. Mutterschaft und Care-Arbeit: Mom/Care Pay Gap

Mütter verdienen meist weniger als Väter oder Beschäftigte ohne Kinder. Laut der American Association of University Women (AAUW) erhalten Mütter, die Vollzeit und das ganze Jahr über arbeiten, 71 Cent für jeden Dollar, den Väter bekommen. Bei allen Verdienstbezieherinnen unter ihnen (einschließlich Teilzeit- und saisonaler Arbeit) sind es sogar nur 63 Cent. Frauen nehmen im Vergleich zu Männern zu einem geringeren Maß am Erwerbsleben teil. Dafür machen Frauen mehr unentgeltliche Care-Arbeit. Das macht sich vor allem bei Müttern, aber auch Personen bemerkbar, die Angehörige pflegen.


5. Wiedereinstieg: Return-to-work Pay Gap

Frauen haben meist mehr Erwerbsunterbrechungen als Männer. Fehlzeiten können Einstiegshemmnisse beförden und direkten oder nachwirkenden Gehaltseinbußen führen. Denn hinzu kommt: Männer bewegen sich öfter für ihre Karriere und gehen mehr Risiken ein als Frauen. Sie sind dadurch sichtbarer. Frauen hingegen machen häufiger laterale Wechsel statt ins nächste Level aufzusteigen. Das kann befördern, dass sie unterhalb ihrer Qualifikation beschäftigt sind.


6. Attraktivität: Physical Attractiveness Pay Gap


Es gibt Unterschiede in der Bezahlung, die auf das äußere Erscheinungsbild zurückzuführen sind. Personen, die als attraktiver wahrgenommen werden, zum Beispiel weil sie schlanker, größer oder nach allgemeinen Vorstellungen hübscher sind, erhalten häufig schneller eine Beförderung oder einfach so mehr Gehalt – unabhängig von ihrer Leistung und Qualifikation.


7. Soziale Herkunft: Class Pay Gap


Der Class Pay Gap umschreibt die Unterschiede in der Bezahlung zwischen verschiedener sozialer Herkunft. Menschen, die aus einem nichtakademischen oder finanzschwachen Elternhaus kommen, erfahren oft Diskriminierung – mit Auswirkungen auf das Gehalt. Personen, die in Armut aufgewachsen sind oder in einem nichtakademischen Haushalt, sind oft schon im Recruiting benachteiligt, weil „der persönliche Eindruck nicht stimmt“, sie nicht den richtigen "Stallgeruch" mitbringen oder ihr Lebenslauf nicht geradlinig genug erscheint. Die Aufwände und Anpassungsleistungen, zum Beispiel die nötige Arbeit neben einem Studium, ist meist nicht eingepreist. Allerdings ist der Lohnunterschied hier nicht leicht zu erheben – offizielle Zahlen gibt es dazu bisher nicht.


8. Sexuelle Orientierung: Sexual Orientation/LGBTQIA+ Pay Gap


Eine Lohndiskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Zugehörigkeit zu LGBTQIA+-Gemeinschaften ist ebenso schwer zu erheben. Die Personen möchten aus Schutzgrünen oft nicht, dass er Arbeitgeber darüber informiert ist. Vorurteile, sogenannte Unconscious Biases, spielen hier eine große Rolle.  


9. Neueinstellung und Betriebszugehörigkeit: Hire/Tenure Pay Gap


In vielen Unternehmen ist zu beobachten, dass sie sich bei Neueinstellungen an vermeintlich marktgerechten Gehältern orientieren. Dann kann es vorkommen, dass die neuen Mitarbeitenden das Gehaltsgefüge sprengen und deutlich mehr verdienen als Personen, die schon lange im Unternehmen sind und über Erfahrung und Unternehmenswissen verfügen. Oft versäumen Arbeitgeber deren Gehälter auch entsprechend anzuheben, deshalb kann es zu Verdienstunterschieden nach Betriebszugehörigkeit und Diskriminierung von Menschen mit höherer Betriebszugehörigkeit kommen.


10. Teilzeit und Vollzeit: Part-time/Full-time Pay Gap


Teilzeitarbeit führt zu einem geringeren Verdienst – vor allem natürlich, weil die Stundenzahl geringer ist. Hinzu kommt jedoch, dass der Lohn pro Stunde abweichen kann, je nachdem, ob jemand in Vollzeit oder Teilzeit arbeitet. Beides ist zu beobachten: Dass der Stundenlohn dann höher oder niedriger ausfällt. Meist kommt aber die sogenannte „Teilzeitstrafe“ hinzu: Wer Teilzeit arbeitet, bekommt weniger verantwortungsvolle und anspruchsvolle Jobs, die schlechter vergütet werden. Außerdem kann es dann Einbußen bei Weiterbildungen oder sonstigen Benefits geben, von denen vor allem Vollzeitbeschäftigte profitieren.


Pay-Gap-Analyse vornehmen

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“. Das heißt, Diskriminierungsgründe aufgrund des Aussehens oder der sozialen Herkunft unter den Tisch. Rein rechtlich betrachtet kann man also keinem Arbeitgeber vorwerfen, dass er Menschen aufgrund von Körpergröße, Gewicht oder Aussehen unterschiedlich bezahlt. Ob das verantwortungsvoll ist, steht auf einem anderen Blatt.


Viele Pay Gaps sind nicht einfach zu berechnen, weil Arbeitgeber die Beschäftigten nicht nach allen Merkmalen fragen dürfen. Deshalb bedeutet es einen größeren Aufwand, wenn Unternehmen die nötigen Informationen zum Beispiel aus den Gehaltsdaten anonym extrahieren möchten. Doch wo ein Wille ist, ist ein Weg.


Strukturelle Verdienstunterschiede – auch bezogen auf den eigenen Arbeitskontext – können Unternehmen am besten erkennen, wenn sie sich von Grund auf mit ihrem Gehaltsgefüge beschäftigen und valide Kriterien zur Funktions- und Stellenbewertung anwenden. Erst dann liegen die Daten, Zahlen und Fakten zu den vorhandenen Pay Gaps auf den Tisch.




 

Über die Autorin

Stefanie Hornung hat mittellange, braune Haare. Sie trägt einen schwarzen Blazer über einem lila Tshirt. Sie steht vor einer weißen Häuserwand mit Fenstern

Stefanie Hornung liegt nachhaltiges Management und Vergütung am Herzen. Ob im Newsletter "Gehaltvolle Zeilen" oder auf dem Blog - sie greift aktuelle Themen der Arbeitswelt auf und komponiert Geschichten mit Tiefgang.


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