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  • Stefanie Hornung

„Für Equal Pay müssen wir an unsere Glaubenssätze ran“

Aktualisiert: 14. Aug. 2023

Unser Kollege Sven Franke ist Jurymitglied des German Equal Pay Awards, den das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vergibt. Bei dieser Tätigkeit hat er Einblick in verschiedene Ansätze von Unternehmen bekommen, die ihre Konzepte für den Preis eingereicht haben. Ein Gespräch über Lohngerechtigkeit, Transparenz und Tabus in unseren Köpfen.



Portrait von Sven Franke


Sven, Du warst einer von acht Jurymitgliedern des ersten German Equal Pay Awards. Was hattest Du als Jurymitglied zu tun?


Jedes Jurymitglied bekam drei bis vier Konzepte. Die mussten wir anhand fester Kriterien nach dem Schulnotenprinzip von 1 bis 6 bewerten. Daraus hat sich eine Gesamtnote ergeben, über die wir nochmal in Austausch gegangen sind. Denn jeder bewertet anders – die einen strenger, die anderen sehr großzügig. Gerade der Austausch mit den anderen Jurymitgliedern war dabei für mich sehr bereichernd.


Was hast Du dabei über den Status quo von Equal Pay gelernt?


Kein Unternehmen hat für den Award ein wirklich ganzheitliches Konzept eingereicht. Vermutlich gibt es die da draußen, aber sie scheinen nicht so zahlreich zu sein. Andererseits wurde uns eine große Bandbreite des Themas vor Augen geführt. Eltern sein, Demokratie im Unternehmen, Transparenz – es gibt verschiedene Wege, die Herausforderung der noch immer zu großen Lohnlücke zu lösen. Wir haben sie ein kleines Stücken geschlossen, immerhin ist der Equal Pay Day in diesem Jahr am 7. März, also drei Tage früher als 2021. Aber das ist nicht genug. Mir ist klar geworden, dass wir eine breitere Debatte führen müssen. Wir müssen uns mit den blinden Flecken beschäftigen, auch wenn es wehtut.


Wo liegen diese blinden Flecken?


Wir sehen, dass die Unternehmen Transparenz schaffen und sich um klare Regeln bemühen, die geschlechtsneutral gelten. Aber das ist auch schon bei Tarifsystemen der Fall. Es gab eine Einreichung von einem Unternehmen, das glaubte, lediglich weil es Tarif zahlt, hat es schon den German Equal Pay Award verdient. Das reicht natürlich nicht. In so vielen Unternehmen, auch in denen, die den Preis gewonnen haben, ist das Topmanagement männlich. Da hat sich nicht viel verändert, auch wenn die Frauenquote ein bisschen hilft. Spannender finde ich Ansätze, die wirklich bei den Gehaltsmechanismen ansetzen.


Ein Beispiel?


Wir, das New Pay Collective, haben einen Kunden, die sich Gedanken über die Elternzeit gemacht haben. Es läuft ja meistens so, dass Frauen während der Elternzeit nicht an Gehaltsrunden teilnehmen. Das können sie gehaltsmäßig nie mehr aufholen. Ich habe schon erlebt, dass HR-Managerinnen das selbst nicht hinterfragen. Sie finden das logisch, weil Frauen ja in der Zeit nicht da sind und nichts für das Unternehmen leisten können. Diese gedankliche Falle hat unser Kunde überwunden und nun beschlossen, dass auch Beschäftigte in Elternzeit an Gehaltsrunden teilnehmen. Das finde ich großartig.


Wie ist der Gender Pay Gap aus Deiner Erfahrung in Unternehmen verteilt? Also gibt es bestimmte Tätigkeitsbereiche, wo er traditionell stärker ist?


Das ist wirklich ganz unterschiedlich und manchmal auch überraschend. Aber genau da müssen wir hinschauen, denn das kann uns viel über die Gründe von Lohnlücken verraten. In einem Unternehmen haben wir festgestellt, dass es zum Beispiel im Softwarebereich kaum eine Lohnlücke gab. In anderen Bereichen war der Gender Pay Gap aber ganz krass. Der Grund: Das Unternehmen bezahlte seine Teilzeitkräfte im Vergleich zu Vollzeitkräften schlechter – ein Thema, das in dem Fall dann auch Männer betroffen hat. Wir müssen nach Ursachen suchen, und zwar individuell in jedem Unternehmen.


Ist Equal Pay aus Deiner Sicht nur ein Geschlechterthema? Alter oder andere Diskriminierungsmerkmale sind ja bei Vergütung durchaus auch entscheidend.


Der German Equal Pay Award hat den Fokus Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern. Der Fokus auf das Geschlecht ist deshalb häufig der erste Ansatz, weil es da so griffig und klar ist. Viele Aspekte wie einen anderen Background oder verschiedene soziale Herkünfte kann man nicht so einfach ermitteln. Dennoch haben wir das auch in der Juryarbeit andiskutiert.


Beim Alter ist die Differenz auch klar messbar, aber das ist wohl fast noch ein größeres Tabu.


In Tarifverträgen ist es ja eine ganz klare Logik, dass man mit zunehmendem Alter mehr verdient. Wir sehen aber, dass Lebensphasen nicht mehr immer so linear am Alter oder Jahren der Betriebszugehörigkeit orientieren. Wir sollten uns fragen, ob wir das, was wir damit fördern, auch tatsächlich erreichen möchten oder es sich lohnt, Muster zu brechen. Wofür machen wir das eigentlich? Das gilt auch auf gesellschaftlicher Ebene: Ist zum Beispiel das Ehegattensplitting eine Regelung, die heute so noch zeitgemäß ist? Auf diese Fragen kommt es an.


Glaubst du, dass Equal Pay ohne New Pay erreichbar ist?


Nein. Die Ursachen von Lohnungerechtigkeit sind häufig Fragen der Unternehmenskultur. Und da sind wir dann ja bei New Pay. Rein männliche Teams ticken anders als solche, die divers sind. Das färbt die Kultur und spiegelt sich dann auch im Gehalt wider. Führungskräfteseminare helfen da nicht und auch die Quote ist eher ein Übergangsinstrument. Wir müssen an unsere Vorurteile und Glaubenssätze ran.



 

Stefanie Hornung liegt nachhaltiges Management und Vergütung am Herzen. Ob im Newsletter "Gehaltvolle Zeilen" oder auf dem Blog - sie greift aktuelle Themen der Arbeitswelt auf und komponiert Geschichten mit Tiefgang.

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