Zehn Vorschläge für eine wirksame und bürokratiearme Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie
- New Pay Collective
- 4. Dez.
- 9 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 3 Tagen
Die Entgelttransparenz-Kommission hat geliefert – aber nur bedingt: Der Abschlussbericht über die Kommissionsarbeit zeigt viel Lobbyeinfluss, aber kaum konkrete Ideen für eine bürokratiearme Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie. Einige Beteiligte haben das Ziel der Richtlinie aus den Augen verloren, große Schlupflöcher für Lohndiskriminierung würden bleiben. Wir präsentieren deshalb zehn zweckmäßige, maßvolle Vorschläge.

Die Kommission aus elf Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Verbänden, Sozialpartnern und Rechtswissenschaft hatte einen klaren Auftrag: Vorschläge für eine bürokratiearme Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie (ETRL) machen – ohne das Ziel „gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“ zu verwässern. Der Abschlussbericht zeigt: Das ist an vielen Stellen nicht gelungen.
Zwar stehen auf der Haben-Seite Vorschläge wie mehr Klarheit beim Entgeltbegriff, keine Ausweitung der Berichtspflicht unter 100 Beschäftigte, harmonisierte Berichtspflichten mit der CSRD oder Unterstützung durch digitale Tools. Auf der Soll-Seite fehlen allerdings Ideen für bürokratiearme Umsetzung des eigentlichen Ziels. Es ging einigen Beteiligten offensichtlich darum, eigene Interessen abzusichern – gerade beim Thema Tarifverträge, Rechtfertigungsgründe für Entgeltunterschiede und der Rolle der Arbeitnehmendenvertretung. Für entscheidende Fragen fehlen Lösungen.
Besonders kritisch:
die mehrheitliche Angemessenheitsvermutung für Tarifverträge (sie sollen quasi per Default als diskriminierungsfrei gelten),
das Armutszeugnis, dass es keine tragfähige Lösung für Arbeitnehmendenvertretung in betriebsratslosen Betrieben gibt,
und die Idee, Entgeltberichte mit einem Pay Gap unter 5 Prozent pauschal als Widerlegung von Diskriminierung zu werten.
Um die Vorschläge zu beurteilen, sollte man sich in Erinnerung rufen, worum es eigentlich geht: die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen zu schließen. Die Bundesregierung strebt laut Koalitionsvertrag dieses Ziel bis 2030 an. Doch aktuell wird mit dem Totschlaghammer „Bürokratie“ jegliche Regelung abgewürgt. Gesetze einzuhalten, kann Aufwände mit sich bringen – das ist auch bei Entgelttransparenz der Fall. Doch trotzdem darf das Wofür nicht aus dem Blick geraten: Gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit – das ist ein Grundwert, der im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union formuliert ist und der Artikel 3 des Grundgesetzes entspricht, wonach Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Der Staat ist verpflichtet, die Gleichstellung aktiv zu fördern und bestehende Nachteile zu beseitigen. Wird dieser Grundwert durch die Regelungen nicht garantiert, ist aller Aufwand umsonst. Das schafft nicht nur Bürokratie, sondern unnötige noch dazu.
Deshalb machen wir vom New Pay Collective zehn Vorschläge, die wirksam und bürokratiearm zugleich sind – und die das Ziel der Richtlinie ernst nehmen. Wir sehen dies als erweiterte Diskussionsgrundlage ohne Anspruch auf Vollständigkeit und mit der Möglichkeit, dass es noch bessere Vorschläge gibt, die sich daraus entwickeln können:
1. Entgeltbegriff klar definieren – keine Schlupflöcher für Diskriminierung
Die Kommission will das Ist-Entgelt für die Berichterstattung heranziehen, also das tatsächlich gezahlte Bruttojahres- und Bruttostundenentgelt. Eine Minderheit plädiert für das Zielentgelt.
Wo es hakt:
Unternehmen und Vergütungsberatungen favorisieren ein Zielentgelt. Das sei einfacher zu ermitteln. Allerdings bieten sich dadurch Verschleierungsmöglichkeiten von Diskriminierung, wenn zum Beispiel bei Aktienprogrammen, Prämien, Zulagen oder Dienstwagen nicht die tatsächliche ausgezahlte Summe zu Buche schlägt.
Vorschlag:
Klare, positive Definition des Entgeltbegriffs im Gesetz:
Grundentgelt: vertraglich vereinbartes Gehalt im Vollzeitäquivalent.
Ergänzende Bestandteile: Zahlungen wie Zulagen, Zuschläge, betriebliche Altersversorgung sowie Benefits und Sachleistungen mit Geldwert.
Variable Bestandteile: leistungs- und erfolgsabhängige Vergütung (Bonus, Provision oder Aktienprogramme).
Für das Grundentgelt sollte das vertraglich vereinbarte Ziel-Entgelt (Vollzeitäquivalent) maßgeblich sein – so werden Effekte von Teilzeit, längerer Krankheit, Elternzeit oder Sabbaticals nicht überdeckt.
Für variable Vergütung sollte das Ist-Entgelt (hochgerechnet auf Vollzeit) betrachtet werden. Denn hier können systematische Benachteiligungen auftreten (zum Beispiel schlechtere Leistungsbeurteilungen von Frauen, geringerer Zugang zu Bonus-Projekten).
Nur eng gefasste Bagatellgrenzen bei ergänzenden Bestandteilen (zum Beispiel Kantinenrabatt) zulassen – alles mit relevantem Geldwert gehört ins Ist-Entgelt hinein.
2. Keine Ausnahme für Tarifverträge – Angemessenheitsvermutung nicht gelten lassen
Die Kommissionsmehrheit möchte Tarifverträge privilegieren – mit einer Angemessenheitsvermutung. Das heißt, man könnte Vergleichsgruppen anhand der Tarifgruppen bilden, ohne die zugrunde gelegten Kriterien zu hinterfragen. Dazu kommen Vorschläge für Erleichterungen bei Auskunftsfristen und Rechtfertigungen für tarifgebundene Unternehmen. Diese Privilegien sollen auch tarifanwendende Unternehmen bekommen.
Wo es hakt:
In der Praxis sehen wir regelmäßig tarifliche Bewertungs- und Eingruppierungssysteme, die weder hinreichend differenziert noch sauber geschlechtsneutral sind – und deren Anwendung noch viel weniger (siehe auch dieser Beitrag von Gradar).
Tarifverträge reichen teils zurück in die 70er Jahre. Jobprofile sind unscharf, Aufgabenbilder haben sich massiv verändert. Die Kriterien entsprechen nicht der ETRL.
Tarifanwendende Organisationen nehmen sich häufig große Freiheiten, sich „bei Bedarf“ punktuell vom Tarif zu lösen.
Die Angemessenheitsvermutung würde erheblichen Erklärungsaufwand für Unternehmen nach sich ziehen. Vor Gericht hält die Berufung auf den Tarif nicht stand, wie bisherige Urteile zeigen (siehe zum Beispiel das BAG-Urteil zu Überstundenzuschlägen nur für Vollzeit). Vor Schadensersatzklagen wären Unternehmen also weiterhin nicht gefeit.
Die geplante Angemessenheitsvermutung ist eine Kampagne für Tarifbindung. Unternehmen könnten sich in den Tarif „flüchten“, statt echte Fairness zu schaffen.
Vorschlag: Tarifverträge müssen sich genauso am EU-Recht messen lassen wie betriebliche Systeme. Tarifnormen, die gegen Art. 157 AEUV bzw. die ETRL verstoßen, sollten ihre Wirkung verlieren – mit einer klaren gesetzlichen Grundlage, wie die Kommission in einer (guten!) Minderheitsposition bereits andeutet. Es ist zumutbar, veraltete oder diskriminierende Teile von Tarifverträgen anzupassen – und zwar mit konkreten Fristen, nicht über „mehrere Jahre“ hinweg. Das hat auch das Bundesarbeitsgericht Mitte November entschieden.
3. Mitbestimmungsrecht bei der (Neu-)Gestaltung von Tarifverträgen
Die Kommissionsmehrheit will, dass es in tarifgebundenen Unternehmen kein betriebliches Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung der Kriterien nach Art. 4 Abs. 4 ETRL gibt, solange der Tarifvertrag als richtlinienkonform gilt.
Wo es hakt:
Tarifverträge bleiben Rahmenwerke – die konkrete Übersetzung in betriebliche Praxis steht auf einem anderen Blatt. Gerade dort, wo Tarifverträge schwammig sind, sind die konkrete Anwendung und die Prozesse im Betrieb entscheidend.
Ohne echte Mitbestimmung bleibt die betriebliche Umsetzung ein Blackbox-Risiko für Entgeltgleichheit. Mitarbeitende und ihre Vertretung kennen das Arbeitsumfeld am besten.
Vorschlag: Klare Mitbestimmungsrechte der betrieblichen Arbeitnehmervertretung (zum Beispiel durch paritätisch besetzte Arbeitsgruppen) bei
der Festlegung und Überprüfung von Entgeltkriterien,
der betrieblichen Ausgestaltung tariflicher Entgeltstrukturen (Funktionsprofile, Stellenbewertung, Eingruppierung),
der Bildung von Vergleichsgruppen.
4. Beteiligung der Beschäftigten auch ohne Betriebsrat – mit Wahlrecht der Beteiligungsform
Für betriebsratslose Betriebe findet die Kommission keine tragfähige Lösung. Man fürchtet einen „Betriebsrat durch die Hintertür“ und lehnt verpflichtende Gremien, externe Stellen oder verpflichtende Sachverständige überwiegend ab.
Wo es hakt:
Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen ohne Betriebsrat könnten Equal-Pay-Verfahren entstehen.
Die Richtlinie verlangt als Abhilfe gegebenenfalls eine „gemeinsame“ Entgeltbewertung – ganz ohne Stimme der Beschäftigten ist das faktisch nicht erfüllt.
Vorschlag: In Betrieben ohne Betriebsrat sollten Beschäftigte ein Wahlrecht haben, wie sie vertreten werden wollen, zum Beispiel:
Wahl eines Mitarbeitenden-Gremiums mit klar umrissenen Beteiligungsrechten für Entgelttransparenzfragen,
Benennung einer internen Gleichstellungs- oder Diversity-Beauftragten,
Einbindung einer externen Ombuds- oder Schlichtungsstelle (zum Beispiel zertifizierte Beratungsstellen).
Dieses Gremium würde einem Betriebsrat nicht gleichgestellt, sondern zielgenau spezifische, auf Entgelttransparenz begrenzte Rechte erhalten, etwa bei gemeinsamer Entgeltbewertung, Abhilfeverfahren und Auskunftsprozessen.
5. Keine Sonderbehandlung von AT-Beschäftigten – Transparenz statt Parallelwelt
Die Kommission diskutierte eine gesonderte Erfassung der außertariflich Beschäftigten (AT) im Bericht. Die Absicht ist laut Abschlussbericht: Pay Gaps gezielter zuordnen und Tarifverträge nicht für AT-Probleme „verantwortlich“ machen.
Wo es hakt:
AT-Beschäftigte sind in vielen Unternehmen der Bereich mit größten Verhandlungsspielräumen – und damit auch hohen Diskriminierungsrisiken. Deshalb stehen sie besonders im Fokus und können Pay Gaps der Vergleichsgruppen nach oben ziehen. Eine Sonderausweisung im Reporting würde jedoch Mehraufwände bedeuten – und zwar bei zweifelhaftem Nutzen im Sinne der Vermeidung von Diskriminierung.
Vorschlag: AT-Beschäftigte sollten einfach in die Vergleichsgruppenbildung einbezogen werden – ohne längere Fristen, ohne „Sonderzonen“.
6. Keine gebündelte Berichterstattung durch die Konzernmutter
Die Kommission hält es für unstrittig, dass ein Konzern die Berichte seiner Töchter bündeln und für diese berichten kann. Umstritten ist allerdings, ob sie Indikatoren über Unternehmen hinweg aggregieren können. Einige Mitglieder warnen vor Verrechnungseffekten, die Pay Gaps verschleiern.
Wo es hakt:
Aggregation auf Konzernebene ist ein klassisches Verwässerungsinstrument: Gute Werte eines Bereichs überdecken systematische Diskriminierung in einem anderen.
Für Klagen (Stichwort: Paarvergleich) ist die konkrete Organisationseinheit relevant – nicht der Konzern als Ganzes.
Vorschlag: Jede rechtlich eigenständige Organisation bzw. jedes berichtspflichtige Unternehmen muss einen eigenen Bericht veröffentlichen. Die Konzernmutter kann diese Berichte ergänzend zusammenfassen – aber nicht anstelle der Einzelberichte und nicht durch Glättung der Kennzahlen. Für kleinere Einheiten in Holdingstrukturen gelten die Schwellenwerte der Berichtspflicht, so dass sie zum Beispiel von 100 bis zu 250 Mitarbeitenden sowieso nur alle drei Jahre berichten müssten.
7. Bedingte Öffnungsklausel für ergänzende & variable Bestandteile
Die Kommission erwägt die Möglichkeit, ergänzende und variable Entgeltbestandteile entweder als Summe oder einzeln zu berichten. Sie erkennt aber, dass durch eine Zusammenfassung wichtige Diskriminierungsinformationen verloren gehen. Die einzelnen Vergütungspunkte müssen so oder so einfließen – es geht hier also nicht um Aufwand, sondern um die Möglichkeit, Ursachen für Diskriminierung zu identifizieren.
Wo es hakt:
Eine zu grobe Aggregation macht genau die Bereiche unsichtbar, in denen Diskriminierung besonders stark wirkt.
Gleichzeitig wäre eine Pflicht zur Vollauflistung aller Lohnarten wenig übersichtlich und schwer vergleichbar.
Vorschlag: Öffnungsklausel nach kaskadierendem Verfahren
Stufe 1: Getrennte Ausweisung von Grundentgelt, ergänzenden Bestandteilen und variablen Bestandteilen. Ergänzende/variable Bestandteile werden in sinnvolle Gruppen zusammengefasst zum Beispiel nach Leistungsboni, Erschwerniszulagen und Mobilitätszuschüssen.
Stufe 2: Wo der aggregierte Gender Pay Gap nicht plausibel erklärbar ist, müssen Unternehmen detaillierter werden und bei Bedarf einzelne Komponenten offenlegen. Hierbei kommt es auf eine gut abgewogene Abgrenzung der Gruppen an, die Diskriminierung identifizieren können.
8. Keine pauschalen Rechtfertigungen (5-Prozent-Grenze unterschritten, Bestandsschutz & Markt)
Die Kommission bittet den Gesetzgeber um einen weiten Katalog von Rechtfertigungsgründen, inklusive Besitzstandswahrung und Marktgegebenheiten. Zudem gibt es den Vorschlag, Berichte mit einem Entgeltgefälle unter fünf Prozent als Widerlegung des Diskriminierungsverdachts zu werten.
Wo es hakt:
Eine pauschale 5-Prozent-Schwelle widerspricht der aktuellen Rechtsprechung: Schon geringere Unterschiede können diskriminierend sein, insbesondere bei intersektionellen Konstellationen (zum Beispiel einzige Mutter in der Vergleichsgruppe).
Der Marktvergleich wird zu oft als bequemer Universaljoker genutzt – auch wenn die Arbeitsmärkte gar nicht mehr angespannt sind. Auch hierzu hat das Bundesarbeitsgericht bereits Stellung bezogen.
Besitzstandsklauseln können Diskriminierung auf Jahre zementieren. In gerichtlichen Auseinandersetzungen wird sich zeigen, ob diese als Rechtfertigungsgrund tatsächlich ausreichen. Unternehmen müssen spätestens dann präziser werden.
Ausreißer nach oben können verschiedene Gründe haben:
1. Eine Person hat in der Vergangenheit besser verhandelt als andere,
2. Es hat eine Umstrukturierung stattgefunden,
3. Das Unternehmen hat eine Neubewertung von Funktionen vorgenommen oder
4. Es ist eine Mischung aus verschiedenen Ursachen.
Vorschlag: Jeder Entgeltunterschied muss nachvollziehbar und erklärbar sein, auch wenn er statistisch klein ist. Es ist zwischen stellenbezogenen und personenbezogenen Kriterien zu unterscheiden.
Der Marktvergleich kann nur ausnahmsweise zeitlich befristete Rechtfertigung sein – etwa bei nachweislich angespanntem Arbeitsmarkt für klar definierte Funktionen.
Empfehlung für Unternehmen zum Thema Besitzstand:
Um Fairness und Transparenz zu ermöglichen, empfehlen wir Unternehmen, die Gehälter der Personen mit Bestandsschutz ohne Einschränkung komplett einzufrieren, also auch keinen Inflationsausgleich zu zahlen – bis sie in der richtigen Position im Gehaltsband angekommen sind. Auch wenn dies viele Jahre dauern kann, sollten Arbeitgeber hier konsequent bleiben.
Außerdem sollten Unternehmen in der Gehaltsabrechnung individuell ausweisen, welcher Gehaltsbestandteil dem aktuellen Grundgehalt entspricht und welcher Anteil auf den Bestandsschutz zurückzuführen ist. Nur so können sie Gehaltsunterschiede in Gesprächen nachvollziehbar erklären. Für mögliche gerichtliche Auseinandersetzungen ist es zudem sinnvoll, mögliche Änderungen durch Umstrukturierungen oder Neubewertungen gut zu dokumentieren.
9. Einfache Melde-Software und weitere Tools
Die Kommission ist einstimmig der Überzeugung, dass digitale Tools den Aufwand für Unternehmen reduzieren können – die Möglichkeiten dafür aber je nach Arbeitgeber und eingesetztem HR-System unterschiedlich ausfallen. Aktuell sind vom Bundesfamilienministerium ein Praxischeck für die Berichtspflicht (Zert-Equal) und ein Tool zur Feststellung gleichwertiger Tätigkeiten (Compass-W) geplant, die in der zweiten Jahreshälfte 2026 zur Verfügung stehen sollen. Daneben entwickelt die Europäische Kommission (EIGE) ein step-by-step-Tool zur Arbeitsbewertung. Die Monitoringstelle will eine digitale Landingpage bereitstellen, wo man sich wie bei ELSTER einfach registrieren und die Indikatoren für die Berichte eingeben kann.
Wo es hakt:
Durch das neue Portal der Monitoringstelle könnte die Reporting-Infrastruktur weiter anwachsen. Es gibt dann eine zusätzliche Sonderlösung, die man bedienen muss.
Der kursierende Vorschlag (siehe etwa hier in diesem Beitrag), man könnte die existierende digitale Infrastrukturen zur Meldung der Entgeltlücke wie das SV-Meldeportal der Sozialversicherung oder die monatliche Verdiensterhebung (erweitert auf Vollerhebung) nutzen, wäre ein rechtlich nur schwer gangbarer Weg. Deutsche Statistikgesetze verbieten es dem Statistischen Bundesamt für andere als statistische Zwecke Daten zu erheben. Ausgeschlossen ist zum Beispiel, Einzeldaten zu veröffentlichen. Damit lassen sich die Anforderungen der Richtlinie nicht erfüllen.
Tools sind hilfreich für die Equal-Pay-Analyse und das Grading, sie sollten aber nicht die Logik und die Herangehensweise an Funktionsbewertungen bestimmten – die Gefahr besteht, Verantwortung an das Tool auslagern zu wollen.
Vorschlag: Da sich ein neues Reporting-Portal angesichts aktueller Statistikgesetze nicht vermeiden lässt, ist es umso wichtiger, dass es selbsterklärend und bedienungsfreundlich gestaltet ist. Zudem sind neue Tools – insbesondere für KMU – erforderlich. Softwareanbieter müssen die Vorgaben der EU-Entgelttransparenzrichtlinie berücksichtigen. Gleichzeitig gilt es, die Expertise in den Unternehmen zu stärken, damit sie die Sinnhaftigkeit von Tools gut einschätzen können.
10. Abbau interner Vergütungsbürokratie – das größte Entlastungsprogramm liegt in den Unternehmen selbst
Zum Schluss der wichtigste Punkt – und der einzige, der nicht an den Gesetzgeber adressiert ist, sondern direkt an Unternehmen: Heute arbeiten viele größere Organisationen mit hunderten oder gar tausenden Vergütungsbestandteilen. Niemand versteht diese Systeme wirklich – weder Mitarbeitende noch Führungskräfte, oft nicht einmal HR. Selbst mit KI-Unterstützung bleibt das ein Blackbox-Gebirge an Lohnarten und Sonderregelungen.
Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie ist hier keine Bedrohung, sondern eine riesige Chance:
Entrümpelt Zulagen, Boni, Einmalzahlungen und Sonderregelungen.
Baut eine klare Jobarchitektur mit differenzierten, nachvollziehbaren Funktionen statt wild gewachsener Titel. Dafür haben wir eine Kurzanleitung im personalmanager geschrieben.
Reduziert variable Vergütung auf ein sinnvolles Maß (Wir-Prämien) und verknüpft sie mit transparenten, überprüfbaren Kriterien.
Definiert wenige, verständliche Regeln, die Mitarbeitende auch ohne Rechtsabteilung und Hilfe generativer KI nachvollziehen können.
Das neue Entgelttransparenzgesetz soll Unternehmen dazu bringen, genauer hinzuschauen, ob es Lohndiskriminierung gibt. Nutzt das als Aufräumprogramm für Eure Vergütungssysteme oder bedenkt das, wenn Ihr sie erstmals gestaltet (siehe auch New-Pay-Leitsatz „Nachvollziehbarkeit ist wichtiger als Perfektion“). Weniger Komplexität, klarere Kriterien, weniger Sonderlocken: Das schafft Nachvollziehbarkeit und ist die beste Entbürokratisierungsmaßnahme.
Über die Autor:innen

Das New Pay Collective besteht aus Menschen, die sich in Organisationen oder als Organisationsbegleiter:innen dafür einsetzen, New Pay bekannter zu machen. Gemeinsam reflektieren und entwickeln wir Vergütungssysteme weiter.

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